Holzschindeln als Weltkulturerbe. Traditionelles Handwerk wird bei Kursen vermittelt
Die Holzschindelerzeugung wurde im Dezember 2023 als traditionelles Handwerk der Bergbauern und Waldarbeiter in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Bei Kursen mit unserem Vorstandsmitglied Siegfried Ellmauer wird dieses Wissen weitergegeben.
Holzschindeldächer sind besondere Blickfänger in der Landschaft. Die Arbeit des „Schindelkliabns“ ist seit unzähligen Generationen tradiert; sie wird von Alm- und Bergbauern, Waldarbeitern und Zimmerleuten ausgeübt. Holzschindel sind ein weit verbreitetes, altbewährtes, umweltfreundliches Deckungsmaterial für Dach und Wand mit einem geringen ökologischen Fußabdruck. Im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert, wird das Handwerk bis in die Gegenwart an jüngere Generationen immer noch weitergegeben.
Holzschindel – ein 3000 jähriges Kulturerbe der Kelten
Das Holzschindeldach ist in Österreich über 3000 Jahre alt und bis in die Gegenwart nachweisbar. Schon die keltischen Bergleute vom Stamm der Halauner beherrschten die Technik des „Schindel kliebens“ in der späten Bronzezeit, wie die Funde von in Tonböden konservierten Fichten- und Lärchenschindel am Hallstätter Salzberg eindrucksvoll bezeugen. Dabei wird die urtümliche Art der Holzbearbeitung, das Spalten des Stammes in seiner Längsrichtung mit einem speziellen Handwerkszeug, dem Schindeleisen (Glenseisen, von mhd. kleuzen = spalten) angewandt. Die Kunst liegt nicht nur im ausgeübten Handwerk, sondern auch in der richtigen Auswahl des Baumstammes, der Holzarten, und der Bestimmung des richtigen Fällzeitpunktes. Die Arbeit der Schindelmacher hat sich im Laufe der Jahrhunderte wenig verändert und lebt vom überlieferten, lokalen Erfahrungswissen.
alle Bilder zur Verfügung gestellt von Siegfried Ellmauer
Regionale Macharten: Alpenschindel, Nutschindel, windische Schindel
Beim Schindelmachen, oftmals im Winter als Heimarbeit, gelten eine Vielzahl von Arbeitsregeln, wobei es österreichweit zu regionalen Eigenheiten bei der Spalt-technik und Endfertigung kommt, die sich in unterschiedlichen Schindelformen äußert. So gibt es z.B. Kurz- oder Langschindel, Spanschindel mit stehenden Jahrringen (= Rift 60 – 90°) – die verbreitetste Form von Tirol bis Oberösterreich – oder Brettschindel (Flader 0 – 30°) mit liegenden Jahrringen wie im Salzburger Lungau. In Südkärnten und Slowenien hingegen sind keilige Rückenschindel, im Wienerwald und Böhmerwald sogar aufwändig genutete Steckschindel und im Bregenzerwald zierlich kleine Schuppenschindel regionaltypisch.
Mündliche Weitergabe des Handwerkswissens beim Schindelklieben
Die identitätsstiftende Handwerkskunst wird von erdverbundenen Alm- und WaldarbeiterInnen seit vielen Generationen innerhalb der Familie weitergegeben. Beim gemeinsamen Arbeiten wird das Wissen rund um das fachgerechte Spalten und richtige Dachdecken an die Jüngeren achtsam weitergereicht. Sprachlich gesehen stammt der altbewährte Dialektausdruck „Schindel kliabn“ vom abgeleiteten lateinischen Wort „scindula“ (= Schindel) und dem altbayrischen Ausdruck „klieben“ (= spalten) ab.
Holzschindel – höchst ökologischer Baustoff für Dach und Wand
Die Holzschindel zeichnen sich durch ihren geringen ökologischen Fußabdruck aus. Sie sind ein langlebiges und reparaturfreundliches Naturprodukt für Dächer und Wandverkleidungen, die in der Entsorgung keine Umweltbelastung darstellen. Können sie doch am Ende ihrer Lebensdauer vom Dach abgenommen, getrocknet und als Heizmaterial verwendet werden; so schließt sich der natürliche Kreislauf. Wegen der Umweltfreundlichkeit werden Holzschindel gerne in Nationalparks und Naturschutzgebieten als Baustoff verwendet und geben den Einheimischen Arbeit. Außerdem strahlen sie als Baumaterial eine besondere Ästhetik, Naturverbundenheit und Einklang mit der Landschaft aus. Es gelingt in der modernen Baukultur, die architektonische Zukunft mit dem Schindelholz-Kulturerbe der Vorfahren harmonisch zu verbinden, wie viele Neubauten mit Schindelmantel an den Außenfassaden in ihrem optischen Erscheinungsbild verschönert werden.
Hochmechanisierte Schindelwerke – Gefahr für die Handwerkskunst
Aus Kostengründen werden heute in der Produktion zunehmend hydraulische Spaltmaschinen eingesetzt und das alte Handwerk mit dem Schindeleisen aus Zeitgründen in den Schatten gestellt. Auch wurden die traditionellen „österreichischen Alpenschindel“ aus Lärchenholz durch Importe von hochmechanisiert erzeugten Holzschindeln aus Nordamerika (Red Cedar) und Osteuropa seit Ende des 20. Jahrhunderts verdrängt.
Schindelholz-Kurse in Forstschulen, Präsentation bei Handwerksfesten
Um das traditionelle Handwerk zu fördern, gibt es die raren Kurse zum Schindelmachen an den forstlichen Ausbildungsstätten Mitterdorf im steirischen Mürztal und Traunkirchen im Salzkammergut. Um die Holzschindel auch im städtischen Räumen wieder bekannter zu machen dienen diverse Veranstaltungen zum Waldkulturerbe. Bei Holzmärkten, Festen zum alten Holzhandwerk, Holzbaumessen, Forst- und Almwirtschaftstagungen oder Adventmärkten kann die Bedeutung der reichhaltigen Schindelholztradition in Österreich wieder vermehrt gezeigt und von Besuchern hautnah erlebt werden.
Auszeichnung für Schindler – Aufnahme in nationale Liste der UNESCO
Es ist nun gelungen, das gefährdete bäuerliche Holzschindelhandwerk in die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO zu verankern. Das umfangreiche Ansuchen, das unser Vorstandsmitglied Dipl.-Ing. Siegfried Ellmauer vorbereitet hat, wurde am 4. Dezember 2023 von der 24 köpfigen österreichischen UNESCO-Kommission in Wien einstimmig angenommen.
Der Sinnspruch des deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuß (1884-1963) – „Das Wort H O L Z ist kurz und bündig, doch dahinter verbirgt sich eine einzigartige Welt voll Wunder und Märchen“ – trifft für das vielfältige Wissen um die Holzschindelererzeugung in besonderem Maße zu!
Kurse im Jahr 2024
Im heurigen Kurs „Faszination Bergwald“ kann das jahrtausendealte Schindelhandwerk am 14. und 15. Juni 2024 in einem Praxisteil auf der Nockeralm im Tiroler Valsertal wieder hautnah erlebt werden. Weitere Termine:
3. Februar 2024: Sitzenhart: Erzeugung von Weinviertler Eichenschindeln – Steinmaurer
5. April 2024: Berghof Thurnergut: Praxistag: Erzeugung Alpenschindeln aus Lärche, Schindelratgeber
21. und 22. November 2024: 2-tägiger Praxiskurs Forstcampus Traunkirchen, Theorie zu Geschichte & Kulturerbe, Spalttechniken, Erzeugung von Schindeln aus Alpen-Lärche und Weißtanne, Dachdeck-Übungen
Kontakt
Dipl. Ing. Siegfried Ellmauer
Oberweng 26, Berghof Thurnergut
4582 Spital am Pyhrn
Mobil: 0664-4684843e-mail:siegfried.ellmauer@ooe.gv.at
Exkurs: Förderaktion in Oberösterreich
In Oberösterreich wird der Schindelholzkultur auf Almen größte Wertschätzung entgegen-gebracht. Bereits seit 1995 gibt es die agrarische „Förderaktion Holzdächer für oö. Almen„, bei der Almbauern für die Wahl eines neuen Holzschindeldaches und für Holzbretterdächer > 50% Baukostenzuschüsse aus Landesmittel erhalten. Als großer Erfolg für die Erhaltung einer umweltfreundlichen alpinen Dachlandschaft in Oberösterreich konnten in den letzten 25 Jahren mehr als drei Viertel aller Neueindeckungen mit Holzschindeln bewerkstelligt werden. Viele Dächer wurden dabei im Auftrag der BauwerberInnen in Heimarbeit von Alm- und Waldbauern aus dem alpinen Raum in der Winterzeit erzeugt, womit die Wertschöpfung beim Alm- und Forstwirt im eigenen Land bleibt. Diese wichtige Förderaktion zeigt eindrucksvoll die Bedeutung der öffentlichen Hand für den Erhaltung der Handwerkstechnik und des Wissens um das Kulturerbe der „Holzschindelerzeugung“ im ländlichen Raum auf.